In Kiel liegen die Fachhochschule (FH) auf dem Ostufer und die Universität auf dem Westufer. Dieses Bild ist in den Köpfen der meisten Studierenden verankert. Doch diese Aufteilung war nicht immer so. Noch in den 90er Jahren waren die Fachbereiche der Fachhochschule über ganz Kiel verteilt. So saßen Teile der Fachhochschule wie die Verwaltung und das Rektorat im Breiten Weg, der Fachbereich Wirtschaft hatte seinen Sitz auf dem Uni-Gelände und in zentraler Lage am Dreiecksplatz. Die einzelnen Fachbereiche agierten weitestgehend autark, gemeinsame Projekte fanden kaum statt.
Dagegen wollte die damalige Landesregierung etwas unternehmen. Um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, wurde der Beschluss gefasst, die Fachhochschule auf das Kieler Ostufer umzusiedeln. So sollten zum einen die Fachbereiche zusammengeführt und zum anderen das Ostufer belebt und seine Attraktivität gesteigert werden. Dafür sollte auf dem brachliegenden Gelände der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) in Neumühlen-Dietrichsdorf ein neuer, gemeinsamer Campus der Fachhochschule entstehen. Inzwischen studieren dort über 7.000 Studierende an der größten Fachhochschule und zweitgrößten Hochschule des Landes Schleswig-Holstein.
Doch bis auch der Fachbereich Wirtschaft nach Neumühlen-Dietrichsdorf umzog, war es ein langer Weg. Nachdem zuvor bereits die Verwaltung und das Rektorat aufs Ostufer gezogen waren, sollte Ende der 90er Jahre auch der Fachbereich Wirtschaft folgen. Die Planer hatten jedoch nicht mit dem großen Protest der Lehrenden, Mitarbeitenden und Studierenden gerechnet. Zwar gab es am alten Standort des Fachbereichs kaum Parkplätze und die Räumlichkeiten hatten eher provisorischen Charakter, doch die zentrale und attraktive Lage auf dem Uni-Gelände und am Dreiecksplatz wollte niemand so schnell aufgeben. Hinzu kam der vermeintlich schlechte Ruf des Ostufers. „Nur um diesen Ruf aufzupolieren, wollten wir uns nicht hergeben!“, so Prof. Dr. Walter Reimers, der damalige Dekan des Fachbereichs Wirtschaft. Der Widerstand ging sogar so weit, dass im Konvent ein entsprechender Beschluss gefasst wurde: „Wenn die Möbelwagen gegen unseren Willen kommen, dann ketten wir uns an die Heizkörper!“
Doch trotz dieser radikalen Einstellung siegte bei manchen auch die Einsicht. So auch bei Reimers: „Als ich erkannte, dass kein Weg an dem Umzug vorbei führt, habe ich heimlich Verhandlungen mit dem Rektorat geführt, um für passende Räumlichkeiten zu sorgen.“ Denn der Fachbereich Wirtschaft habe sich schlichtweg geweigert, an der Planung der Räumlichkeiten hier in Dietrichsdorf mitzuwirken. Und trotz der großen Proteste kam der Umzug des Fachbereichs schließlich zum Sommersemester 1998 mit verständlichen Startschwierigkeiten auf den neuen Campus. So gab es zum Zeitpunkt des Umzugs keine Infrastruktur in Dietrichsdorf, keine Mensa und nicht genügend Hörsäle, da zunächst einmal die bestehenden Gebäude umgebaut und Mensa und Hörsaal-Gebäude neu gebaut werden mussten.
Inzwischen hat sich diese Situation deutlich verbessert und die Vorteile des Umzugs liegen auf der Hand. Wie geplant sind die Fachbereiche enger zusammengewachsen, wodurch mehr gemeinsame Projekte und Veranstaltungen stattfinden können. Auch die Interdisziplinären Wochen (IDW sind erst durch den Umzug möglich geworden. „Die räumliche Distanz war vorher einfach zu groß. Es gab außer der Gremienarbeit gar nichts Gemeinsames!“, stellt Reimers fest.
Doch ganz so einfach, wie es sich die damalige Landesregierung gedacht hatte, lässt sich der Ruf des Ostufers nur durch Ansiedlung der Fachhochschule nicht verbessern. Auch 15 Jahre nach dem Umzug ist das Ostufer noch nicht so attraktiv wie das Westufer. Was fehlt, sind aus Reimers Sicht mehr Angebote von „außerhalb der Hochschule“. Dazu zählt er eine Kneipenszene und eine entsprechende Gastronomie, Kulturzentren oder andere Freizeitangebote, von denen es bisher noch zu wenige gibt. „Es wäre außerdem schön, wenn noch mehr Studierende ihren Wohnort auf das Ostufer verlegen würden“, so Reimers. Die Umsiedelung der Fachhochschule hält er rückblickend dennoch für eine gute Entscheidung: „Im Nachhinein glaube ich nicht, dass es noch jemanden am Fachbereich Wirtschaft gibt, der es bedauert, hier herüber gezogen zu sein.“